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Evaluation des Bundesteilhabegesetzes: Künftige Bundesregierung muss bei gesellschaftlicher Teilhabe nachsteuern
DIAKONIE DEUTSCHLAND Vor wenigen Tagen wurden die Evaluationsergebnisse des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlicht. Diese bestätigen, dass das BTHG noch lange nicht vollständig umgesetzt ist und es große Unterschiede zwischen den Ländern gibt. Teilhabeleistungen werden oft noch nicht gewährt, obwohl dies im Gesetz vorgeschrieben ist. Angesichts dieser Ergebnisse appellieren Diakonie Deutschland und der Evangelische Bundesfachverband für Teilhabe (BeB) an die künftige Bundesregierung, die Umsetzung des geltenden Rechts im Dialog mit den Bundesländern zu beschleunigen.
Menschen mit Behinderung müssen sich in ganz Deutschland darauf verlassen können, dass sie die Leistungen erhalten, die ihnen nach dem Bundesteilhabegesetz zustehen.
Zentrale Erkenntnisse der Evaluation:
- Wunsch- und Wahlrecht: Das Wunsch- und Wahlrecht, insbesondere bei der Wohnform, ist oft nicht gegeben. Gewünschte Leistungen dürfen häufig nicht mehr kosten als alternative Angebote, was zu Interessenkonflikten führt.
- Bedarfsermittlung und Gesamtplanung: Die neue ICF-basierte Bedarfsermittlung wird in den Ländern unterschiedlich angewendet und führt oft nicht zu den entsprechenden Leistungen. Dies gilt besonders für Menschen, die in besonderen Wohnformen, den früheren stationären Einrichtungen leben.
- Kosten der Eingliederungshilfe: Die Evaluation zeigt, dass das Bundesteilhabegesetz bisher nicht wesentlich zu den Kostensteigerungen in der Eingliederungshilfe beigetragen hat.
- Gesamteinschätzung: Zwischen dem sozialpolitischen Anspruch, der mit dem Bundesteilhabegesetz verbunden ist, und der Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderung besteht nach wie vor eine große Diskrepanz. Leistungsträger und Leistungserbringer müssen diese Lücke zwischen Rechtanspruch und Realität gemeinsam schließen.
„Das Bundesteilhabegesetz muss konsequent umgesetzt werden. Es ist die gesetzliche Grundlage dafür, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt wohnen, sich bilden und arbeiten können. Auch wenn uns die Entwicklung in den letzten Jahren, von der Corona-Pandemie bis zu den aktuellen weltpolitischen Konflikten vor große Probleme stellt, dürfen wir in dem Bemühen nicht nachlassen, Menschen mit Behinderung ein gleichberechtigtes Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen." mahnt Elke Ronneberger, Diakonie-Bundesvorständin Sozialpolitik an.
Dr. Christian Geyer, stellv. Vorsitzender des BeB merkt kritisch an, dass dringend bei der Prioritätensetzung nachgesteuert werden muss. Der Nachteilsausgleich ist ein Rechtsanspruch für eine gleichberechtigte Teilnahme. „Stattdessen geht es nur noch um Ausgabedynamiken und den Ausbau der Bürokratie. Wir müssen sicherstellen, dass die Teilhabe im Fokus bleibt und gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet garantiert werden."
Hintergrund: Die wissenschaftlichen Untersuchungen, die von 2018 bis 2024 vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) durchgeführt wurden, beleuchten sowohl die Wirkungen als auch die finanziellen Auswirkungen des 2017 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung (BTHG) Die Untersuchungen zeigen, dass die Gewährung von Teilhabeleistungen mit fiskalischen Beschränkungen einhergeht. Um die Ausgabendynamik zu begrenzen, werden Individuelle Teilhabeleistungen vordergründig unter Kostengesichtspunkten betrachtet und unter Kostenvorbehalt gestellt.
Abschlussbericht Wirkungsprognose BTHG - BMAS
Abschlussbericht Finanzuntersuchung BTHG - BMAS
Bildnachweis: © Diakonie/Francesco Ciccolella