Bundestagswahl 2025 - Wahlrecht für alle!
Am 23. Februar 2025 wird der 21. Deutschen Bundestag gewählt. Das Wahlrecht ist ein grundlegendes demokratisches Recht, das jedem Bürger zusteht. Das integrative Wahlrecht bietet die notwendige Unterstützung, damit auch Menschen mit Behinderung von diesem Recht Gebrauch machen zu können.
Direkt bei den Menschen, in den Einrichtungen und bei Betreuer:innen dürften in diesen Tagen die Wahlbenachrichtigungen eingehen oder bereits eingegangen sein. Damit stellt sich die Frage nach der Umgehensweise damit, nach den Möglichkeiten und Pflichten des Hilfesystems.
Hintergrund und Bedeutung
Bis vor einigen Jahren waren viele Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen vom Wahlrecht ausgeschlossen. Dies betraf insbesondere Personen, die
unter rechtlicher Betreuung mit dem Aufgabenkreis “alle Angelegenheiten” standen. Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2019 dürfen nur noch
Menschen, denen per richterlichem Beschluss das Wahlrecht entzogen wurde, vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen werden.
Das Wahlrecht auszuüben, setzt allerdings voraus, dass der Mensch in der Lage ist, den Sinn und das Wesen von Wahlen zu erfassen, sich eine eigene Meinung bilden kann und sich ausreichend artikulieren kann, um diese deutlich zu machen.
Für Menschen mit Behinderungen stehen viele Hilfsmöglichkeiten zur Verfügung, die es ihnen ermöglichen sollen, ihr Wahlrecht auszuüben. Regelungen zur Wahlausübung finden sich z.B. im § 14 Bundeswahlgesetz (BWG). Im Absatz 5 sind Hilfsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung verankert: “Ein Wahlberechtigter, der des Lesens unkundig oder wegen einer Behinderung an der Abgabe seiner Stimme gehindert ist, kann sich hierzu der Hilfe einer anderen Person bedienen. Die Hilfeleistung ist auf technische Hilfe bei der Kundgabe einer vom Wahlberechtigten selbst getroffenen und geäußerten Wahlentscheidung beschränkt. Unzulässig ist eine Hilfeleistung, die unter missbräuchlicher Einflussnahme erfolgt, die selbstbestimmte Willensbildung oder Entscheidung des Wahlberechtigten ersetzt oder verändert oder wenn ein Interessenkonflikt der Hilfsperson besteht.“
Unterstützungsmöglichkeiten
Was bedeutet diese Regelung für rechtliche Betreuer:innen und Mitarbeitende in ambulanten Diensten und Einrichtungen der Behindertenhilfe? Welche Unterstützungsmöglichkeiten bestehen? Diesen Fragen wollen wir im Folgenden nachgehen.
Grundsätzlich soll die Wahlbenachrichtigung direkt an die Wahlberechtigen gesandt werden und nicht an die rechtlichen Betreuer:innen. Die Betreffenden können dann entscheiden, ob sie an der Wahl teilnehmen wollen und welche Unterstützung sie bei der Ausübung ihres Wahlrechtes benötigen. Hilfestellung kann bei der Entscheidung und politischen Positionierung und bei dem tatsächlichen Wahlvorgang erforderlich sein. In allen Schritten der Unterstützung ist es wichtig, sich ganz klar zu sein, dass die helfende Person die betroffene Person nicht beeinflussen darf und das Wahlgeheimnis gewahrt bleiben muss.
Im Wahlprozess haben Menschen mit Behinderung die Möglichkeit einer Wahlassistenz durch andere Personen. Die Wahlassistenz kann von Angehörigen, (ehrenamtlichen) rechtlichen Betreuer:innen, Mitarbeitenden der Einrichtung, ambulanten Betreuungskräften oder sonstigen Vertrauenspersonen geleistet werden. Im Wahllokal kann die Wahlassistenz auch durch Mitglieder des Wahlausschusses geleistet werden. Diese Unterstützung darf jedoch nur technischer Natur sein, d.h., die wahlberechtigte Person muss ihre Entscheidung selbst treffen können.
Hierbei gibt es zwei Hauptformen der Unterstützung:
1. Begleitung in die Wahlkabine: Eine Person mit Behinderung kann von einer Vertrauensperson in die Wahlkabine begleitet werden. Diese Vertrauensperson kann beim Ausfüllen des Stimmzettels helfen, beim Falten und Einwerfen unterstützen etc., darf aber keinen Einfluss auf die Wahlentscheidung nehmen.
2. Unterstützung bei der Briefwahl: Wenn die betroffene Person nicht in der Lage ist, persönlich zum Wahllokal zu gehen, kann sie die Briefwahl nutzen. Auch hier kann eine Vertrauensperson beim Beantragen und Ausfüllen der Wahlunterlagen helfen.
Für Menschen, die für Entscheidungen viel Zeit benötigen, ist das Nutzen von Briefwahl eine gute Möglichkeit, diese zu erhalten. Für Menschen, die gerne im Wahllokal wählen wollen, kann eine Begleitung durch eine Wahlassistenz dieses erst ermöglichen. Auf der Wahlbenachrichtigung muss ein Hinweis zur Barrierefreiheit des Wahllokals enthalten sein. Sollte das zugewiesene Wahllokal nicht barrierefrei sein, kann bei der Kommune die Zuweisung zu einem anderen Wahllokal beantragt werden.
Aufgaben der rechtlichen Betreuer:innen
Rechtliche Betreuer:innen haben die Pflicht, die Wahlbenachrichtigung, falls diese an sie geschickt worden ist, den Betreuten umgehend auszuhändigen und im Gespräch zu klären, ob die Betreffenden wählen möchten und welche Hilfestellungen benötigt werden. Diese müssen, wenn der Betreffende dies wünscht und selbst nicht umsetzen kann, u.U. im Zusammenspiel mit der Alltagsassistenz abgesprochen und organisiert werden. Es ist nicht Aufgabe der rechtlichen Betreuer:innen, z.B. als Wahlassistenz am Wahltag mit in die Kabine zu gehen.
Aufgaben und Möglichkeiten der Alltagsassistenz und von Einrichtungen
Sollten Wahlbenachrichtigungen in Einrichtungen eingehen, sind diese an den Betreffenden auszuhändigen und nicht an die rechtlichen Betreuer:innen weiterzuleiten. Auch Mitarbeitende der Einrichtungen können im Rahmen der Wahlassistenz z.B. Briefwahl beantragen oder andere Möglichkeiten der Wahlassistenz besprechen, soweit dies möglich ist. Hierzu ist nur der Wille des Betreffenden entscheidend, ein Tätigwerden der rechtlichen Betreuer:innen ist nicht erforderlich.
Für Einrichtungen ist es auch möglich, bei der Gemeinde zu beantragen, dass ein mobiles Wahlbüro in die Einrichtung kommt und die Bewohner:innen dort ihr Wahlrecht ausüben können. Diese Möglichkeit ermöglicht u.U. vielen Bewohner:innen das “Wahlerlebnis”, die anders hierzu keine Möglichkeit hätten. Sollten Einrichtungsträger sich für eine solche Möglichkeit interessieren, können sie sich mit dem Wahlbüro ihrer Gemeinde in Verbindung setzten und die konkreten Gegebenheiten vor Ort erfragen. Die gesetzliche Regelung hierzu findet sich in § 8 Bundeswahlordnung.
Unterstützung im Meinungsbildungsprozess
Neben der Unterstützung im konkreten Wahlprozess benötigen Menschen mit Behinderung unter Umständen Hilfe bei der politischen Meinungsbildung.
Hierzu stehen zahlreiche Materialien und Informationen in leichter Sprache zur Verfügung, die in der Alltagsbegleitung im betreuten Wohnen oder in Einrichtungen genutzt werden können, Menschen mit Behinderungen zu informieren und bei der Beschaffung und Nutzung zu unterstützen. So können Menschen mit Behinderungen befähigt werden, ihr Wahlrecht auszuüben.
Zum integrativen Wahlrecht befinden sich im Internet viele Hilfen und Materialien in einfacher Sprache. Eine Auswahl bilden die folgenden Quellen:
Wahl-Hilfe in Leichter Sprache der Lebenshilfe
Der Wahlkampf | einfach POLITIK | bpb.de der Bundeszentrale für politische Bildung
"Ich habe die Wahl! Du hast die Wahl!" - Ein Erklärfilm zur Bundestagswahl 2025 in einfacher Sprache vom Kompetenzentrum Selbstbestimmt Leben Detmold
Wahl-O-Mat | bpb.de – erscheint am 06.02.2025 zur Bundestagswahl, es ist noch nicht
bekannt, ob dieser auch in leichter Sprache erscheint
Demokratie schützen - Gefährliche politische Ideen erkennen. Broschüre von Tadel verpflichtet und Lebenshilfe